Die Verfassung an die Realität des 21. Jahrhunderts anpassen

Interview mit Simone Beissel

Die luxemburgische Verfassung stammt aus dem 19. Jahrhundert. Warum ist eine Verfassung im 21. Jahrhundert immer noch wichtig?

SB: Eine Verfassung ist für jede parlamentarische Demokratie sehr wichtig, da die Verfassung die gesamte Organisation und Funktionsweise des Staates, der Institutionen, den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und vor allem den Schutz der Bürger regelt.

Wir arbeiten seit zehn Jahren an einer neuen Reform. Wie ist der aktuelle Stand der Dinge?

SB: Es ist wirklich ein sehr langer Weg. Unsere Verfassung ist 152 Jahre alt. Bisher hatten wir mindestens 27 Verfassungsänderungen. Das Risiko besteht darin, dass der Text irgendwann nicht mehr ordentlich durchgängig ist. Im Jahr 2009 wurde beschlossen, die Verfassung zu überarbeiten. Leider wurde das erarbeitete Projekt nach den Wahlen von 2018 von der CSV aufgekündigt, und wir mussten uns neu zusammenfinden. Seitdem arbeiten wir daran. Wir sind vier Berichterstatter und jeder hat seine Aufgabe zu erledigen. Die Kapitel Justiz, Staat, Großherzog, Regierung, Allgemeine Organisation und Übergangsregelungen wurden bereits erarbeitet. Ich arbeite derzeit an Grundrechten und öffentlichen Freiheiten (Libertés publiques). Wir hoffen, unsere Vorschläge im Frühjahr fertig zu haben.

Was sind die Prioritäten dieser Reform?

SB: Das Hauptziel ist die Verfassung an die politische und soziale Realität des 21. Jahrhunderts anzupassen. Der Großherzog erhielt ein eigenes Kapitel, in dem seine Eigenschaften und sein Status definiert werden. Die Kammer wird in ihrer Kontrollfunktion gestärkt. Die Justiz wird durch die Tatsache gestärkt, dass die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit in der Verfassung verankert ist und die Justiz durch die Einführung eines Nationalen Justizrates modernisiert wird. Schließlich werden die Texte zu den Menschenrechten angepasst.

Das Kapitel über Rechte und Freiheiten liegt in Deinen Händen. Worauf legst Du besonderen Wert?

SB: Bisher gab es 22 Grundrechte. Seit 2001 gibt es die Europäische Charta der Grundrechte, die ich mit ausarbeiten konnte, sowie die Europäische Sozialcharta. Dadurch sind viele weitere Rechte dazugekommen. So waren Kinderrechte, Rechte der Forschung oder der Tierschutz nie in der Verfassung verankert. Diese spielen jedoch eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft und gehören daher in die Verfassung. Wir gestalten eine Verfassung für die Bürger. Für mich ist es daher wichtig, dass der Schutz der Bürger und ordnungsgemäß organisierter Institutionen gut aufeinander abgestimmt sind.

In den letzten Monaten wurde unter anderem wegen der Schaffung des „Maison du Grand-Duc“ viel über die Rolle unseres Staatsoberhauptes gesprochen. Hat die Monarchie noch einen Platz in einer modernen Verfassung?

SB: Ich denke, dass die konstitutionelle Monarchie gut zu unserem Land passt. Unsere Monarchie ist historisch gewachsen und Großherzogin Charlotte und Großherzog Jean waren ein Symbol für die Einheit und Freiheit Luxemburgs. Die Rolle des Großherzogs wird immer repräsentativer, aber er ist immer noch in der Exekutive präsent und äußerst diszipliniert.

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